Kniegelenk

Kreuzbandruptur

Die Ruptur des vorderen Kreuzbandes (VKB) stellt einen häufigen Sportunfall dar, während die seltenere Ruptur des hinteren Kreuzbandes (HKB) meist mit einem ventralen Anpralltrauma der Tibia (z.B. dash board injury) einhergeht.  Das VKB inseriert an der lateralen Femurkondyle posterior superior und zieht tibial zur Eminentia intercondylaris nach inferior anterior medial und besteht funktionell aus zwei Faserbündeln (anterolateral und posteromedial). Das hintere Kreuband zieht von der medialen Femurkondyle anterior medial nach inferior posterior lateral. Der physiologische Verlauf des Kreuzbandes ist während der Rekonstruktion zu beachten und Voraussetzung für ein erfolgreiches Ergebnis.

In der klinischen Untersuchung stellt sich das rupturierte Kreuzband mit einem fehlenden Anschlag während des Schubladentestes und Instabilität im Lachmann-Test dar. Bei deutlicher Instabilität ist der Pivot Shift Test positiv. Im Akutfall besteht meist ein deutlicher Gelenkerguss oder eine Schmerzhaftigkeit, die die Stabilitätsprüfung erschweren können. Eine schmerzbedingte Bewegungseinschränkung ist nicht ungewöhnlich. Bei einer Instabilität des Kniegelenkes ist zur Darstellung des Kniebinnenschadens eine MRT-Untersuchung notwendig. Hierbei können auch Begleitverletzungen evaluiert werden, die den Zeitpunkt einer Versorgung beeinflussen können.

Kniegelenk

Bandapparat des Knies

Bandapparat des Knies

Begleitende Verletzungen können Meniskus und Kollateralbänder betreffen. Die unhappy triad des Kniegelenkes beschreibt die Kombination aus Innenmeniskusläsion, Innenband- und Kreuzbandruptur. Bei begleitenden Bandverletzungen kann eine frühzeitige operative Verletzung sinnvoll sein, um die Ruhigstellungszeit zu minimieren. Die Indikation zum Kreuzbandersatz ist anhand des Funktionsanspruches und der posttraumatischen Instabilität zu stellen. Durch Muskeltraining ist in vielen Fällen eine Alltagsstabilität erreichbar.

Der Goldstandard in der Versorgung einer Erstruptur des vorderen Kreuzbandes ist die autologe Transplantation der ipsilateralen Semitendinosus-Sehne. Diese Sehne ist gewöhnlich 25-30cm lang und wird nach Bedarf 3-4x vernäht, um den gewünschten Durchmesser zu erreichen. Das Transplantat wird in physiologischer Position durch vorgebohrte Knochenkanäle eingebracht. Bei einer erneuten Ruptur des transplantierten Kreuzbandes stehen z.B. die kontralaterale Semitendinosus-, die ipsilaterale Patellar-/Quadrizepssehne oder allogene Grafts zur Verfügung.

Die postoperative Nachbehandlung besteht aus einer Bewegungseinschränkung bis 90° für 6 Wochen unter Teilbelastung und anschließend einer funktionellen Behandlung unter Vollbelastung. Eine Rückkehr des Laiensportlers in den Kontaktsport dauert ca. 1 Jahr.

Kreuzbandplastik

Kreuzbandplastik

Meniskusläsionen

Im Kniegelenk fungieren der Innen- und Außenmeniskus als eine Art Puffer zwischen Tibia und Femurkomponente. Durch ihre etwa halbrunde Form verbessern sie die Gelenkkongruenz vor allem bei der Beugebewegung des Gelenkes. Die Menisken sind durch einen Haltapparat an der Gelenkkapsel, sowie der Innenmeniskus am medialen Kollateralband befestigt. Daraus resultiert eine etwas erhöhte Verletzungsrate des Innenmeniskus (z.B. unhappy triad). In Sonderfällen fehlt ihnen die mittige Aussparung, sodass man von einem Scheibenmeniskus spricht.

Eine Schädigung des Meniskus kann durch repetitive Belastung (z.B. häufiges berufliches Knien), repetitive Mikrotraumen (z.B. Fussballer) oder ein akutes Trauma (z.B. Kniedistorsion), sowie eine Kombination derselben entstehen.

In der klinischen Untersuchung imponieren die typischen Meniskustests positiv. Hierzu gehören beispielsweise der Böhler-Test, Steinmann I und II, Apley Grinding und Payr Test. Sie beruhen auf einer Untersuchung des Meniskus durch eine Stressprüfung durch Rotation oder Valgus/Varusstress. Die Schmerzprovokation gibt jeweils Aufschluss auf die Lokalisation der Schädigung. Häufig besteht begleitend ein Gelenkerguss, der bei Chronifizierung zur Ausprägung einer poplitealen Bakerzyste führen kann. Zur genauen Bestimmung der Läsionsart ist die Durchführung einer MRT heute Standard.

Menuskusläsionen

Je nach Form der Läsion sind Längsrisse, Lappenrisse, Horizontalrisse, Radiärrisse und Korbhenkelrisse beschrieben. Die Form und Lokalisation sind wesentliche Faktoren für die anschließende Therapie. Die konservative Therapie der Meniskusläsion ist selten erfolgreich und nur in stabilen, basisnahen Läsionen angezeigt. Sie besteht aus physikalischer Therapie und Analgesie. Eine operative Therapie ist heutzutage mit einem äußerst geringen Trauma des Kniegelenkes durch arthrokopische Techniken möglich. Eine Rekonstruktion des Meniskus ist in basisnahen, besser durchblutenden Anteilen des Meniskus möglich und sollte vor allem bei jungen Patienten angestrebt werden. Es existieren mehrere Techniken, den Meniskus zu nähen (inside out, outside in, intraartikulär). Die Teilresektion des betroffenen Abschnittes stellt bei degenerativ vorgeschädigtem Meniskus und bei nicht rekonstruierbaren Rissen den Goldstandard dar. Eine komplette Entfernung des Meniskus stellt einen großen Eingriff in die Biomechanik des Gelenkes dar und sollte vermieden werden. Jede Meniskusresektion vergrößert die Inkongruenz des Gelenkes und fördert somit die schnellere Entwicklung von Verschleißschäden. Nach Rekonstruktion des Meniskus ist eine Ruhigstellung mit Bewegungseinschränkung notwendig. Auf eine (partielle) Resektion erfolgt eine schmerzadaptierte Vollbelastung der Extremität.

Verletzungen des Streckapparates

1. Quadrizepssehnenruptur

Die Quadrizepssehnenruptur betrifft Patienten über 40 und ist mit Begleiterkrankungen wie Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus, rheumatoider Arthritis und Cortisoneinnahme assoziiert. Das Geschlechterverhältnis Mann zu Frau beträgt 8 : 1. Quadrizepssehnenrupturen entstehen in der Regel durch plötzliche exzentrische Überlastung der Quadrizepssehne. Z.b. der Sturz auf das gebeugte Knie bei maximal angespannte Sehne. Die Rupturen sind in der Regel knapp oberhalb des  oberen Patellapols lokalisiert.  Der Patient kann das Bein nicht im Kniegelenk gestreckt von der Untersuchungsliege abheben und es findet sich eine suprapatellare Delle. Im Röntgenbild zeigt sich ein Tiefstand der Patella (Patella baja). Ergänzend können Ultraschall oder (bei alten oder Partialrupturen) MRT Untersuchungen durchgeführt werden. Die Komplettruptur der Quadrizepssehne stellt eine absolute OP Indikation dar. Symptomatische Partialrupturen bei erhaltener Streckfähigkeit können konservativ-funktionell nachbehandelt werden. Bei der operativen Therapie wird die Kontinuität des Streckeapparates durch transossäre Nähte oder Fadenanker, die in den proximalen Patellapol eingebracht werden, wiederhergestellt. Es verbleibt oft ein Kraftdefizit (bis zu 50% der Patienten ), sowie eine Bewegungseinschränkung des Kniegelenks.

2. Patellarsehnenruptur

Die Ruptur des Ligamentum patellae betrifft v.a. Patienten jünger als das 40 Lebensjahr. Auch hier dominiert das männliche Geschlecht. Der Unfallmechanismus ist ähnlich dem der Quadrizepssehnenrupturen. Die Ruptur ist häufig direkt an der Insertionsstelle des Ligamentum patellae also am distalen Patellapol lokalisiert, intraligamentäre Rupturen sind selten. Auch hier zeigt sich, klinisch eindrucksvoll, eine tastbare Delle unterhalb der Patella, und eine aufgehobene oder stark eingeschränkte aktive Kniestreckung (je nach Begleitschaden des Reservestreckapparates) und ein Patellahochstand im Röntgen (Patella alta). Rupturen der Patellarsehne sind operationspflichtig, auch hier wird eine transossäre Refixation entweder über transossäre Bohrungen durch die Patella oder Fadenanker durchgeführt. Zur Sicherung oder Augmentation des Reparaturkonstruktes wird eine Rahmen-Drahtschlinge durch die Tuberositas tibiae und durch die Patella geführt (sog. McLaughlin Schlinge) um eine spannungsfreie Einheilung zu ermöglichen (temporäre patellofemorale Augmentation durch Rahmendrahtcerclage).

3. Patellafraktur

Als wesentlicher Bestandteil des Streckapparates verbindet die Patella (als sog. Sesambein) die Quadrizepssehne und das Ligamentum patellae. Durch die exponierte anatomische Lage und die hohe mechanische Beanspruchung kann die Patella sowohl durch direkte als auch indirekte Mechanismen verletzt werden. z.b. direkter Anprall auf das Armaturenbrett beim PKW-Unfall. Die Frakturen werden nach ihrer Morphologie eingeteilt, mit entscheidendem Einfluss auf die Wahl der Osteosynthese.

Patellaquerfraktur

Querfrakturen sind die häufigsten Patellafrakturen und resultieren aus direkten oder indirekten Verletzungen mit Überschreiten der maximalen Zugbeanspruchung der Patella. Sie führen bei gleichzeitiger Ruptur des Reservestreckapparats zu einer kompletten Kontinuitätsunterbrechung des Streckepparats. Als Osteosynthesetechniken kommen hier die Zuggurtungsosteosynthese, die Zugschraubenosteosynthese oder die Plattenosteosynthese (insbesondere bei Zusatzfragmenten, sternförmigen oder y-förmigen Frakturen) zum Einsatz.

Patellalängsfraktur

Die Patellalängsfraktur entsteht durch direkte Gewalteinwirkung (Sturz auf das Kniegelenk). Der Streckapparat ist intakt. Somit können diese Frakturen - sofern sie nicht disloziert sind - konservativ behandelt werden. Sollte eine Dislokation mit einer Gelenkstufe über 2mm vorliegen (im Röntgenbild oft nur schwierig zu erkennen), kommt z.B. eine Schraubenosteosynthese mit Spongiosaschrauben infrage.

Patellatrümmerfraktur

Auch hier liegt eine direkte Gewalteinwirkung auf die Patella zu Grunde. Die Behandlung von Patellatrümmerfrakturen ist komplex und individuell. Kleinere Fragmente werden direkt mit Schrauben oder Kirschnerdrähten an größere Hauptfragmente befestigt, eine sogenannte Äquatorialcerclage (Drahtschlinge, die komplett um die Patella herumgeführt wird) soll die Frakturfragmente im Verbund halten. Ebenfalls kommt additiv auch hier eine Plattenosteosynthese oder eine Zuggurtungsosteosynthese zum Einsatz.

Ziel der Osteosynthesen ist eine übungsstabile Situation um die Beweglichkeit des Kniegelenks zu erhalten. In der Regel muss eine Teilbelastung eingehalten werden, bei kompletter Streckstellung des Kniegelenks darf der Patient oft vollbelasten. Bei nicht rekonstruierbarer Patellafraktur kann eine Patellektomie (partielle oder komplette Entfernung Patella) erwogen werden, auch hier muss natürlich die Kontinuität des Streckapparats mit adäquater Spannung wiederhergestellt werden.